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von JAKOB HANKE VELA
Mit CARLOTTA DIEDERICH
DIE TOP-THEMEN |
— TV-DUELL: Kamala Harris bereitet sich in einem nachgebauten TV-Studio auf den wichtigsten Termin im Wahlkampf vor.
— GOOGLE-ZERSCHLAGUNG: Die Biden-Regierung will in einem letzten großen Gerichtsverfahren Google zerschlagen lassen.
— HAUSHALTSSTREIT: Republikaner und Demokraten streiten darüber, wie das Haushaltsloch gestopft werden soll.
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WORÜBER WASHINGTON SPRICHT |
FIEBERN IN PHILADELPHIA: Es ist der wichtigste Termin im Wahlkampf. Heute trifft Kamala Harris in Philadelphia auf Donald Trump zum TV-Duell, dem wohl einzigen zwischen den beiden vor den Wahlen am 5. November.
Erstaunlicherweise ist es das erste Mal, dass Harris und Trump sich von Angesicht zu Angesicht begegnen. Bisher haben sie sich nicht persönlich kennengelernt.
Harris muss heute Abend überzeugen: Millionen von Wählerinnen und Wählern sind noch unentschlossen. Und 28 Prozent der wahrscheinlichen Wähler sagten in einer NYT Umfrage, sie müssten mehr über Harris wissen.
Die meisten wissen, was sie von Trump halten. Nur 9 Prozent sagten, dass sie mehr über Trump wissen müssen.
Harris reden lassen: Der republikanische Senator John Cornyn aus Texas sagte auf Fox, Trump müsse Harris reden lassen. „Etwas, das sie nur ungern tut, wenn sie nicht vom Teleprompter abliest.“
„Es wird fast übermenschliche Konzentration und Disziplin erfordern, um mit Donald Trump fertig zu werden,“ sagte der demokratische Transportminister Pete Buttigieg. „Nicht, weil Donald Trump ein Meister darin ist, politische Ideen zu erklären … sondern weil er ein Meister darin ist, jedes Fernsehformat in eine Show zu verwandeln, in der es nur um ihn geht.“
Vorbereitung: Kamala Harris hat die letzten Tage in einem Hotel in Pittsburgh in Pennsylvania verbracht. Ihr Team hat in einem Zimmer das TV-Studio nachgebaut: Scheinwerfer, eine Bühne, und das Rednerpult — an dem Harris übt, sich nicht von Trump aus der Fassung bringen zu lassen.
Wie diskutiert man mit einem Entertainer? Harris hat Briefings über Trumps Kommentare, Positionen und sogar seine Top-Beleidigungen („Marxistin“, „Comrade Kamala“, „Crazy Kamala“) erhalten, berichtet CNN.
Aus Fehlern lernen: Außerdem habe sie sich damit vertraut gemacht, wie Trump sich gegenüber seinen beiden früheren demokratischen Gegnern, insbesondere Hillary Clinton, verhalten hat. Sie habe mit Clinton als auch mit Biden ausgiebig über die Debatte mit Trump gesprochen, um von deren Erfahrungen zu profitieren.
Ihren Kontrahenten bei diesen Vorbereitungen auf der Bühne im Hotelzimmer spielt Philippe Reines — ein Berater der Demokraten, der bereits für Clinton Trump spielte, und auf Schauspieltechniken des Method Acting zurückgreift.
Psycho-Spiele: Reines trägt bei diesen Übungen einen kastenförmigen Anzug mit überdimensionierten Ärmeln und einer zu langen Krawatte, wie er selbst erklärt hat. Man darf sich fragen, ob das alles wirklich Harris bei der Vorbereitung helfen, oder eher Trump als lächerlich erscheinen lassen soll.
Noch mehr Psycho-Spiele: Kurz vor der Debatte hat Harris einen TV-Spot schalten lassen — und zwar gezielt in Palm Beach, wo Trump lebt, und auf Fox News, seinem Lieblingssender. In dem Spot kritisieren mehrere seiner ehemaligen Gefolgsleute (Mike Pence, Mark Milley, John Bolton) Trump als charakterlich ungeeignet, das Amt des Präsidenten auszuüben.
Trumps Vorbereitungen sind dagegen lässig — das behauptet jedenfalls sein Team. Er sei mit seinen Beratern in einem Hotel in Las Vegas, stelle dort aber keine Debatten nach. Seine Berater legten in Gesprächen mit Journalisten viel Wert darauf, dass Trump kein „debate prep“ mache, weil er es nicht nötig habe.
Geübt hat er aber trotzdem, und zwar mit dem republikanischen Abgeordneten aus Florida, Matt Gaetz. Der hat Trump schwierige Fragen gestellt, auch zu unbequemen Themen wie seinen Vorstrafen und Abtreibung.
‚I’m speaking‘: Die ehemalige demokratische Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard hat Trump ebenfalls bei der Vorbereitung geholfen und ihn zu Harris‘ rhetorischen Tricks gebrieft. Viele werden sich an Kamala Harris‘ Debatte gegen den damaligen Vizepräsidenten Mike Pence 2020 erinnern, in dem sie seine Unterbrechungen souverän mit den Worten „Mr. Vice-President, I’m speaking“ abstrafte.
Erwartungsmanagement: Trump hat bereits im Vorfeld des Duells behauptet, die Regeln seien unfair und „manipuliert“ und überhaupt seien alle gegen ihn. In Reden und Posts hat er den Sender ABC scharf attackiert und dessen Spitzenkräfte beschuldigt, gegen ihn voreingenommen zu sein, wie meine Kollegen Alex Isenstadt und Meredith McGraw berichten.
Mikros stumm: Trump soll auch froh darüber sein, dass seine Berater sich gegen Harris‘ Team durchgesetzt haben in dem Streit darüber, ob das Mikro der Kandidaten stummgeschaltet wird, wenn er oder sie gerade nicht dran ist. Harris wollte die Mikros anlassen, damit Trump sie unterbricht und damit als undiszipliniert rüberkommt — das behauptet jedenfalls ihr Team.
Es gibt keine Eröffnungsstatements und die Abschlussstatements dürfen maximal zwei Minuten lang sein (das hat Kamala Harris in den letzten Tagen immer wieder geübt).
Nach einem virtuellen Münzwurf letzte Woche durfte Trump sich dafür entschieden, das letzte Abschlussstatement zu halten. Harris entschied sich für das Podium auf der rechten Seite der Bildschirme der Zuschauer.
Die Kandidaten haben zwei Minuten Zeit für die Beantwortung von Fragen, zwei Minuten für Widerlegungen und eine weitere Minute für Nachfragen, Klarstellungen oder Antworten.
Während der zwei Werbepausen dürfen sich Trump und Harris nicht mit ihren Teams beraten. Es ist kein Publikum im Saal. Hier alle Regeln zum Nachlesen.
Moderiert wird das Duell von den beiden ABC-Moderatoren David Muir und Linsey Davis. Anpfiff um 21 Uhr Ortszeit, (3 Uhr Morgens deutscher Zeit), Dauer 90 Minuten. Livestream, hier.
Wir berichten live vor Ort mit unserem traditionellen POLITICO Live Blog. Mittwoch Morgen bekommen Sie in Ihrem DC Decoded alle News und die wichtigsten Analysen.
Debrief: Um 8 Uhr Morgens deutscher Zeit gebe ich online ein Debrief zum Duell — hier können Sie sich dazuschalten und mir Fragen stellen.
CAMPAIGN TRAIL |
MINI-WAHLPROGRAMM: Gerade rechtzeitig hat Kamala Harris gestern einen One-Pager veröffentlicht — bisher hat sie sich, was Inhalte angeht, bedeckt gehalten. Und auch dieses Dokument bleibt allgemein, um nicht zu sagen oberflächlich.
Unter dem Titel „Ein neuer Weg nach vorn“ hat sie grobe Linien zur Wirtschafts-, Migrations- und Außenpolitik aufgelistet.
Jeder Abschnitt wird dabei mit dem ultra-konservativen Projekt 2025 kontrastiert, das zwar nicht Trumps offizielles Wahlprogramm ist, doch von seinen Verbündeten mitentworfen wurde.
Auf der Seite heißt es, Harris‘ wirtschaftspolitische Maßnahmen zielten darauf ab, „die Kosten des täglichen Bedarfs“ für Arbeiter- und Mittelklassefamilien zu senken. Zu ihren Wahlkampfversprechen gehört die Bereitstellung eines Kredits in Höhe von 25.000 Dollar für Erstkäufern von Eigenheimen.
Harris‘ Wirtschaftsprogramm sieht auch die Ausweitung des bestehenden Steuerabzugs von 5.000 Dollar für Start-up-Unternehmen auf 50.000 Dollar vor.
Zur Außenpolitik schreibt die Harris-Kampagne, sie werde die Verbündeten der USA unterstützen und „Diktatoren die Stirn bieten“.
„Amerika, nicht China“, solle „den Wettbewerb des 21. Jahrhunderts“ gewinnen.
TV-WERBUNG: Wie mein Kollege Eli Okun exklusiv berichtet, hat die Republican Jewish Coalition eine 10 Millionen Dollar teure Werbekampagne zur Unterstützung von Trump gestartet.
Der Spot soll jüdische Wähler in Pennsylvania, Nevada, Michigan, Arizona und Georgia davon überzeugen, dass Kamala Harris „keine gewöhnliche Demokratin“ sei und mit antisemitischen Demonstranten sympathisiere — eine ziemlich dreiste und falsche Unterstellung, wohl wegen ihrer Unterstützung einer Zweistaatenlösung. Der Spot wird während der Debatte ausgestrahlt.
TECHNOLOGY |
GOOGLE-ZERSCHLAGUNG: In einem letzten Aufbegehren der Biden-Regierung gegen die Big-Tech-Firmen geht es seit gestern vor Gericht um Google, berichtet mein Kollege Josh Sisco.
Im Mittelpunkt des Prozesses steht die Anklage der Bundesbehörden (unterstützt von mehreren Bundesstaaten), dass Google ein unrechtmäßiges Monopol auf digitale Werbung habe und dass das Unternehmen umstrukturiert werden oder gar zerschlagen werden muss, um Wettbewerb wiederherzustellen.
Wichtig dabei: In Amerika sind Monopole, anders als in Europa, nur dann verboten, wenn sie unrechtmäßig mit unlauteren Mitteln erlangt wurden.
Das Justizministerium wird versuchen zu beweisen, dass Google den fast 300 Milliarden Dollar schweren US-Markt für digitale Anzeigen illegal monopolisiert hat. Es strebt dabei ausdrücklich die Zerschlagung des Unternehmens an. Die wurde seit dem Verfahren gegen Microsoft in den frühen 2000er Jahren nicht mehr versucht und ist seit der historischen Zerschlagung von AT&T in den frühen 1980er Jahren nicht mehr gelungen.
Eine Entscheidung in diesem Fall könnte erst im nächsten Jahr fallen. Eine Art politischer Schlussstein für die Biden-Administration, die in Sachen Kartellrecht einiges aufgemischt hat, schreibt Josh.
Und der Prozess beginnt zu einem Zeitpunkt, an dem Google an mehreren Fronten unter ernsthaftem regulatorischem Druck steht: Im anderen großen Kartellverfahren der Regierung gegen Google hat ein Bundesrichter im vergangenen Monat geurteilt, dass der Tech-Riese ein illegales Monopol auf Online-Suchen hat.
In Europa läuft ein weiteres Verfahren gegen Googles Anzeigengeschäft, das zu einer Zerschlagung oder zu Geldstrafen in Milliardenhöhe führen könnte.
REPRÄSENTANTENHAUS UND SENAT |
HAUSHALTSSTREIT: Der Vorsitzende der Minderheit im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, schrieb gestern in einem Brief an seine Kollegen, dass die Pläne der Republikaner für eine Übergangslösung zum Haushalt „parteiisch und extrem“ seien.
ICYMI: Das Überbrückungsgesetz soll die Regierung bis zum 28. März 2025 finanziell ausrüsten, ist aber an Bedingungen der Republikaner gebunden. Dazu gehört zum Beispiel, einen Nachweis der Staatsbürgerschaft zu verlangen, um an Bundeswahlen teilnehmen zu können. Jeffries fordert eine Übergangslösung, die nur kurzfristig ist und im Jahr 2024 endet. Auch Präsident Joe Biden hat offiziell mit einem Veto gegen den Plan gedroht.
WORÜBER WASHINGTON SONST NOCH SPRICHT |
NICHT ALLES GLAUBEN WAS MAN LIEST: Das gilt auch für den republikanischen Vize-Präsidentschaftskandidaten JD Vance, der auf eine rechte Verschwörungstheorie hereingefallen ist. Laut der sollen haitianische Einwanderer ohne Papiere in Springfield, Ohio, Katzen, Enten und Gänse essen.
Gestern schrieb JD Vance auf X: „Vor Monaten habe ich das Problem der illegalen Einwanderer aus Haiti angesprochen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen und generell in Springfield, Ohio, für Chaos sorgen. Jetzt wird berichtet, dass Menschen Haustiere entführt und gefressen haben, Menschen, die nicht in diesem Land sein sollten. Wo ist unsere Grenz-Zarin?“
Obwohl Elon Musk und der republikanische Senator Mike Lee darüber getwittert haben, erklärte die Polizei gegenüber Jessica Orozco von der Springfield News-Sun, dass sie keine derartigen Berichte erhalten haben. Der Ursprung des Gerüchts sei ein Facebook-Posting, in dem der Freund der Tochter eines Nachbarn zitiert werde.
Das war DC Decoded — das Amerika Briefing von POLITICO. Vielen Dank, dass Sie uns lesen und abonnieren. Bis zur nächsten Ausgabe!